Dass der Widerstand gegen die neuen Handelsabkommen gerade in Deutschland so stark geworden ist, erstaunt und ist bedenklich. Gerade eine Exportnation wie unser Land gehörte bisher zu den gräßten Gewinnern der Globalisierung und internationalen Arbeitsteilung und das sollte auch so bleiben. Schon angesichts unserer internationalen finanziellen Verpflichtungen. Aber dazu Einzelheiten später. Die Vermittlung sachlicher Informationen war ein Antrieb für die CSU Feucht, eine äffentliche Veranstaltung über TTIP und CETA mit der Landtagsabgeordneten und Expertin Mechthilde Wittmann aus München durchzuführen. Der CSU Ortsvorsitzende Alex Hommel zur Begrüßung: „Von den Themen TTIP und CETA wissen wir zu wenig, aber sie bringen viele Leute auf die Beine. Wir wollen nicht nein sagen, aber wir wollen sagen, was Sache ist“.
Mechthilde Wittmann gelang es, in überzeugender Weise ihren Zuhärern viel Licht in den dunklen Dschungel vieler Rechtvorschriften der einzelnen Abkommen zu bringen. Am Anfang ihrer Ausführungen: „Es gibt seit vielen Jahren eine Reihe von Freihandelsabkommen in und außerhalb Europas, ohne dass gegen sie in Deutschland protestiert wurde. Die EU ist das beste Beispiel einer Freihandelszone, bei der allerdings die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards weit auseinanderklaffen, so z. B. Bayern und Rumänien“. Man müsse dagegen aber auch feststellen, dass der Freihandel in Europa ein Garant für Prosperität und Frieden sei. Für das wirtschaftliche Wachstum, Arbeitsplätze und die damit verbundenen Steuereinnahmen dürften wir keineswegs vom Welthandel „abgehängt“ werden. Das Fazit: „Unseren Außenhandel müssen wir halten“ und dass schon angesichts der finanziellen Aufwendungen für die Flüchtlingsbewegungen und der Ablehnung der Bürger, Abstriche an ihrem Lebensstandard zu akzeptieren. In diesem Zusammenhang erwähnte die Abgeordnete die „Verkehrswende“ der Grünen, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen und damit einer Schlüsselindustrie in Deutschland die wirtschaftliche Basis zu entziehen. “ Allein Zubehär, Wartungsketten usw. garantieren Tausende von Arbeitsplätzen“. Angesichts der immer noch nicht ausgereiften Elektroautos sei ein Verbot der Verbrennungsmotoren ein großes Risiko für Beschäftigung und Steuereinnahmen.
Mechthilde Wittmann ist der Ansicht, dass die Transparenz bei den Verhandlungen über die neuen Freihandelsabkommen viel zu kurz gekommen ist. Sie erwartet aber auch von den Gegnern der Freihandelsabkommen mehr Objektivität und verurteilt die Kampagne um die „Chlorhühnchen“; denn Lebensmittel müssten aus Desinfektionsgründen oft durch Chlorwasser gezogen werden. Nach Abschluss der Verhandlungen um CETA hat die Abgeordnete „gute Gefühle, bei TTIP nicht“. Das mag auch damit zusammenhängen, dass es bei Kanada (CETA) ein Geben und Nehmen gab, d. h. Kanada in vielen Punkten auf die Wünsche der Europäer eingegangen ist, so z.B. auf Probleme des Arbeitsschutzes der Beschäftigten. „Was bei CETA (Kanada) gelungen ist, muss auch für die USA (TTIP) gelten. Die wollen aber nur ihre Interessen durchsetzen.“ Ein Knackpunkt in den Verhandlungen sei z. B. die Privatisierung von Unternehmen: „Amerika will, das alles was privatisiert worden ist, nicht mehr in äffentliche Hand überführt werden darf“. Die Europäer haben dazu andere Vorstellungen. Man denke nur an die Reprivatisierung von äffentlichen Leistungen, wie z.B. die Daseinsvorsorge. Die großen Unternehmen haben sich längst in den großen Märkten wie den USA eingerichtet und bräuchten TTIP nicht unbedingt. Wittmann ist der Ansicht, dass die Bedingungen in den neuen Freihandelszonen so gestaltet werden müssen, dass auch mittelständische Unternehmungen weltweit gräßere Chancen haben sich am Wettbewerb zu beteiligen. Dabei spielten Zulassungsverfahren für neue Produkte Dienstleistungen und der Investitionsschutz eine herausragende Rolle. Der schwindende Vertrauensverlust in die Institutionen der Europäischen Union ist nach Meinung der Referentin einer der Ausläser für die anhaltenden Demonstrationen gegen TTIP und CETA. Ein Austritt aus der EU sei aber nicht die Läsung des Problems, „sondern das bessere Aufstellen der EU“.
Eine Chance für TTIP sieht Mechthilde Wittmann erst nach den Wahlen in den USA: „Wir sollen vielleicht zunächst einmal ein Kernabkommen ins Auge fassen und Einzelheiten dann später vereinbaren“. Viele EU Länder haben auch die Befürchtungen, dass einmal vereinbarte Verträge für alle Zeiten gelten. Dem hält die Abgeordnete den Grundsatz des „living agreement“ entgegen. Das heißt, dass die Regelungen des Vertragswerks durch Verhandlungen laufend weiterentwickelt und somit neuen Realitäten angepasst werden. Ein Konzept, dass sicherlich einzelne Länder abhalten kann, aus Enttäuschung nach einiger Zeit eventuell den Brexit zu machen. Und last but not least: Da das belgische Regionalparlament in Wallonien CETA nicht zugestimmt hat, sieht sich Kanada nicht in der Lage, mit der EU den Vertrag CETA zu unterzeichnen. Wieder ein Fall, der zeigt wie schwer es ist, 28 EU Länder unter einen Hut zu bringen und damit der Welt Handlungsfähigkeit zu beweisen. Ist die Glaubwürdigkeit Europas nun am Ende?
Axel-Wolfgang Schmidt