Auf dem Höhepunkt des Asylstreites in der Union in Berlin entstand folgendes Interview zwischen Redakteur Geist der Tageszeitung „Der Bote“ und unserem Ortsvorsitzenden und Landtags Kandidat Alexander Hommel.
1. Was halten Sie von den Forderungen der CSU-Spitze?
Ich gehe davon aus, dass Sie mit Ihrer Frage den Beschluss des Parteivorstands vom Montag meinen, den Ihre Leser unter https://www.csu.de/common/csu/content/csu/hauptnavigation/dokumente/2018/180618-CSU-Beschluss-PV.pdf nachlesen können und sollten. Diesen Beschluss begrüße und unterstütze ich ausdrücklich und in vollem Umfang. Eine Neuordnung der Migrationspolitik ist längst überfällig. Dazu gehören notfalls auch nationale Maßnahmen, wenn auf europäischer und internationaler Ebene nichts vorangeht.
2. Erachten Sie Verhalten und Tonlage für angemessen?
Horst Seehofer macht seine Arbeit als Bundesinnenminister. Wer etwas anderes erwartet hatte, war naiv. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass es ein Verhalten gäbe, das den Gepflogenheiten einer demokratischen Debatte zuwiderliefe. Ich sehe allerdings durchaus ein hartes und lebhaftes Ringen in einer Sachfrage. Das gab es auch früher schon und wird es auch in Zukunft geben. Es gibt überhaupt keinen Grund für künstliche Entrüstung. Die Bundeskanzlerin ist bekannt dafür, dass sie auch sehr stur sein kann. Sie hat in den letzten Jahren sehr oft sachliche, gut gemeinte Ratschläge ignoriert. Daher würden wahrscheinlich viele von uns in Horst Seehofer´s Rolle die Wortwahl auch mehr und mehr deutlicher gestalten.
3. Für wie wichtig halten Sie das Thema „Zurückweisungen an den Grenzen“?
Das Thema ist wichtig, weil der gesamte Themenkomplex Migration/Asyl/Integration die Menschen nach wie vor sehr umtreibt, auch wenn es aktuell auf Deutschland bezogen rückläufige Zahlen gibt.
Aber das Thema Zurückweisungen ist enorm vielschichtig, weil es schon rechtlich unterschiedliche Konstellationen gibt, in denen Zurückweisungen angeordnet werden. Niemand versteht doch, warum Deutschland in den letzten Jahren zugelassen hat, dass Migranten, gegen die nach einem rechtsstaatlichen Verfahren bereits ein rechtskräftiges Einreiseverbot verhängt wurde, bislang trotzdem wieder einreisen konnten. Dabei geht es ausdrücklich nicht um die Anzahl der Fälle, sondern um die Aushöhlung des Rechtsstaatsprinzips. – Wir müssen doch auch alle die Gesetze beachten!
Die Sachfrage, die aktuell den Streit ausgelöst hat, ist die Zurückweisung solcher Migranten, die in einem anderen EU-Land bereits als Asylsuchende registriert wurden, bzw. dort schon einen Asylantrag gestellt haben. Nach geltender EU-Rechtslage müssen sie ihr Asylverfahren in dem Land durchlaufen, wo sie ihren Antrag gestellt haben. Dieses geltende Recht wird aktuell nicht in vollem Umfang vollzogen. Es muss wieder angewandt werden.
4. Sind diese mit einer christlich-sozialen Politik vereinbar?
Ja, absolut, denn es hilft doch auch den Migranten nichts, wenn sie von einem Verfahren ins nächste und von einem EU-Land ins nächste wandern. Das verlängert doch auch für sie nur die Unsicherheit.
Christlich-Sozial ist hier nicht nur im Sinne einer Gesinnungsethik, sondern als Politiker vor allem in Sinne einer Verantwortungsethik zu verstehen – und da ist voll uns ganz vertretbar und sogar geboten. Vor allem weil es sich ja im Vollzug gültigen Rechts handelt. Warum sollte jemand, der durch alle Instanzen hindurch als Asylbewerber abgelehnt wurde, wieder einreisen dürfen und die ganze Prozedur beginnt von vorne?
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass niemand das Problem am Zielpunkt der Migration lösen kann, sondern nur an der Quelle. Wir müssen unser Augenmerk auf die Bekämpfung der Fluchtursachen legen. Deshalb fordert etwa Entwicklungshilfeminister Gerd Müller schon lange einen Marshallplan für Afrika. Und er ist auch Teil der CSU-Spitze!
Und unser Fraktionschef im EU-Parlament Manfred Weber hat erst kürzlich in einem langen Interview im ORF erklärt, warum es Unsinn ist, der CSU ein Interesse an nationalen Alleingängen vorzuwerfen. Das Gegenteil ist richtig: Wir sind ganz entschieden für gesamteuropäische und internationale Lösungen, aber wir müssen doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass seit fast drei Jahren solche Lösungen nicht einmal ansatzweise zustande gekommen sind. Erst durch unseren Vorstoß ist jetzt endlich Bewegung in die Sache gekommen.
5. Was entgegnen Sie Kritikern, die dies als Wahlkampf auf dem Rücken der Kanzlerin abtun?
Mit Verlaub, aber das ist ausgemachter Unsinn: Soll der Bundesinnenminister seine Arbeit einstellen, weil in Bayern und Hessen im Herbst Landtagswahlen anstehen? In Deutschland ist alle paar Monate Wahlkampf – und auch in Bayern gibt es die verschiedensten Wahltermine (Kommunal-, Landtag- und Bezirkstag, Europa, Bundestag). Aber im konkreten Fall geht es um aktuelle Politik und konkrete Maßnahmen und nicht um Wahlkampf.
6. Sehen Sie eine europäische Lösung?
Ja – und das erhoffe ich mir seit 2015! Aber ehrlich gesagt, gehen wir doch alle davon aus, dass eine europäische Lösung nicht kurzfristig kommen wird. Die Interessen der EU-Partner sind sehr unterschiedlich, sodass Verhandlungen sicher sehr schwierig werden. Aber klar ist auch: So wie es ist, kann es nicht bleiben, denn das Dublin-System funktioniert nicht. Bis wir eine europäische Lösung haben, müssen die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer eigenen Verantwortung oder auf Basis bilateraler Abkommen handeln.
7. Falls nicht: Lässt es die CSU auf einen Koalitionsbruch ankommen? Oder wie wird die Auseinandersetzung enden?
In der CSU hat niemand ein Interesse an einem Auseinanderbrechen der Unionsfamilie. Allerdings haben wir in der CSU – und auch in der CDU – ein sehr großes Interesse daran, dass wir endlich zu tragfähigen Lösungen in der Migrationspolitik kommen. Etwas Druck wirkt ja manchmal Wunder.
8. Die CSU möchte die AfD in Bayern klein halten. Könnte das aktuelle Geschehen genau das Gegenteil bewirken?
Nein, denn die beste Strategie gegen die vermeintlich einfachen Rezepte von radikalen Antidemokraten war schon immer, Probleme konsequent anzupacken und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Vergessen wir nie, die AfD ist groß geworden, weil die Menschen das Gefühl haben – und auch erleben – dass ihre Sorgen nicht ernst genug genommen werden. Wenn alle Sachfragen jetzt wieder nach hinten verschoben werden würden und Teile in Berlin versuchen die Taktik des Aussetzens, dann wird die AfD der Gewinner sein und das will niemand in der CSU und ich bin mir sicher auch keine andere Demokratische Partei.